Dienstag, 28. August 2007

Indischer Alltag






Der Alltag hat sich eingependelt. Morgens um 6.30 stehe ich auf,
trinke Tee und arbeite bis 13 Uhr. Dann ist Lunch-Time.
Am späteren Nachmittag gehe ich oft in die Innenstadt am Ganges,
die ich in ca 20 Minuten mit
der Fahrradrikscha erreiche. Das ist eine angenehme Abwechslung zu meiner Arbeit
im Atelier. Vor allem, wenn ich den Book-Shop besuche, wo ich in der Regel
nicht ohne ein Buch zu kaufen rausgehe. Es ist ganz gemütlich da, oft kriege ich einen Tee serviert.
Ich könnte mich verlieren in diesem Laden, der hat eine unglaubliche Auswahl an
schönen Büchern. Interessanterweise vertreibt er einige Bücher vom Scalo Verlag in Zürich.
So international ist Varanasi. Letztes mal habe ich meine Bedenken angemeldet,
dass ich auf der Heimreise in meinem Reisegepäck viel zu viel Gewicht haben werde.
Der Buchhändler machte mir dann das Angebot, ihm alle Bücher vorbei zu bringen.
Er werde diese dann per Paketpost zu mir nach Hause schicken. Das nehme ich natürlich gerne an.
Die Abende sind lang und ruhig hier in Varanasi. Meistens bin ich zu Hause und lese
oder arbeite. Hab keinen Fernseher, höre ab und zu etwas Musik. Ein Kinobesuch ist
eher kompliziert, muss man doch mindestens zwei Tage im voraus Billette reservieren.
Die Abende sind lang, bereits um 18.30 Uhr ist es dunkel. Wenn die Stadt öfter mal
den Strom ausschaltet ist die ganze Stadt im Dunkeln. Schade, diesen Sommer verpasse
ich leider die langen Sommerabende wie sie in Europa sind.

Die Bananenblüte steht im Garten bei der Galerie. Navneets Vater kam
eines Tages und hat uns dieses Prachtsexemplar voller stolz präsentiert.
Der ganze Baum hängt voller Bananen, die etwa in 20 Tagen reif sein werden.

Die wöchentlichen Sträusse muss ich im Moment in der Erinnerung geniessen.
Da schaue ich halt mal immer wieder die festgehaltenen Bilder an. Die Blumenblüte
hat offenbar eine Ruhepause.
Der Gärtner hat mir kürzlich ein herzliches Kompliment gemacht:
„You have a very nice smile“, sage er zu mir am frühen Morgen. Das freute mich
ausserordentlich, vor allem, weil er fast kein englisch
spricht. Vermutlich war es ein grosser Aufwand für ihn, diesen Satz zusammen zu kriegen.

Dienstag, 21. August 2007

Lucknow




Letztes Wochenende verbrachte ich drei Tage in Lucknow, Hauptstadt von Uttar Pradeshs. ca 2 Mio Einwohner. Die 6stündige Fahrt mit dem Zug war angenehm, da ich in einem klimatisierten Wagen reiste. Lucknow wurde berühmt als Sitz der Nawabs von Avadh. Die Vizekönige verwalteten nach dem Untergang des Mogulreiches ungefähr ein Jahrhundert lang einen Teil des nördlichen Zentralindiens. Die Stadt bietet eine Menge von historischen Plätzen und Gebäuden und hat viele Grünanlagen welche zur Erholung der Bevölkerung dienen. Besonders beeindruckend ist DIE RESIDENZ, eine riesige Anlage in einem Park. Sie wurde um 1800 vom Nawab für die britische Verwaltung gebaut. Die Ruinen aus rotem Backstein werden stilvoll präsentiert und die Anlage der ehemaligen Residenz ist gut nachvollziehbar.
Der Botanische Garten, in einem anderen Stadtteil gelegen, hatte es mir besonders angetan. Der Spaziergang im Park war eine Wohltat. Bäume von beeindruckender Schönheit und Grösse, Lotusblumen-Teiche und andere reizende Pflanzen hinterliessen wunderbare Impressionen.


Montag, 13. August 2007

Der Porträtist von Varanasi






Auf dem Fahrrad hat er alles mitgebracht, Kamera, Chemikalien und sein Wissen.
Der Porträtist von Varanasi arbeitet in der Regel auf der Strasse von Varanasi,
wurde aber von Navneet gebeten uns im Garten der Kriti-Gallery zu portraitieren.

Wir waren mehr als erstaunt, als wir das Ungetüm dieser Kamera erblickten. Unser
Schmunzeln mussten wir diskret unter Kontrolle halten um ihn ernst zu nehmen.
Wir fühlten uns zeitlich um zwei Jahrhunderte zurückversetzt.
Der Porträtist erstaunte uns allerdings mit seiner professionellen Arbeit.
Verschiedene Finessen hat er angewendet, um gut belichtete Bilder
zu erreichen. Dem Objektiv entsprechend ist das Resultat erstaunlich.

Wenn ich überlege, wie ich im Labor beim Entwickeln mit grosser Sorgfalt versuche den
Staub fernzuhalten, überrascht es doch ziemlich, dass ihm ein
kräftiges Pusten genügt, um die Linse vom Strassenstaub zu befreien.
Die Kamera hat er übrigens von seinem Vater geerbt und will das Handwerk
so lange es geht weiterführen.

Sonntag, 5. August 2007

Webkunst







Varanasi hat eine grosse Tradition inbezug auf Webkunst. Vorallem in der Herstellung von Brokattextilien für Kleider und Möbel sind sie ganz grosse Künstler. Die Farbigkeit und die Muster dieser Stoffe sind einzigartig. Zweimal hatte ich Gelegenheit eine Weberei zu besichtigen. Auf dem Weg dorthin begegneten wir der allerersten Kontrolle des Kettfadens eines Saaris. Da werden inmitten einer Gasse die Kettfäden ausgespannt und auf Fehler untersucht. Das muss auf der Gasse passieren, weil das Ganze immerhin eine Länge von ca 12m hat. Auf dem einen Bild seht ihr Nandidna, Navneets Schwester in der Weberei, wo wir handgewobene Seidentextilien präsentiert kriegen. Auf dem andern Foto ist Navneet unser Betreuer und Vermieter und der Designer der Seidenbrokate und Schals etc.. Dem Weberei–Handwerk zuzuschauen ist höchst interessant und jedesmal wenn ich da bin möchte ich Stunden verbringen. Das Weben am Webstuhl ist auf einem Lochkarten-System aufgebaut. Zuerst werden die Entwürfe auf eine Art Millimeterpapier farbig aufgezeichnet und nachher auf die Lochkarten umgesetzt. Die Lochkarten werden dann am Webstuhl als Vorlage benutzt.

Donnerstag, 2. August 2007

Zum 1. August






Zum 1. August

Die letzten paar Tage weilten Astrid, Butz und Anouk, Freunde und ehemalige Arbeitskollegin in Varanasi. Als Abschluss ihrer 4-wöchigen Indienreise, wählten sie diese Stadt, was mich sehr freute. Wir erlebten zusammen interessante und spannende Tage. Der gemeinsame Besuch und die Besichtigung eines aussergewöhnlich farbig gestalteten Tibetischen Tempels und eines Buddha–Tempels in Sarnath, 10km ausserhalb Varanasi, war sehr beeindruckend. Butz verfügt über ein grosses buddhistisches Wissen, hat uns vieles erklärt, Querbezüge geschafft und verständlich gemacht. Dies war sehr wertvoll, um in der Buddha-Geschichte einen Hauch von Zusammenhang zu finden. Leider ist ihr Aufenthalt in Indien bereits zu Ende und sie fliegen heute zurück in die Schweiz.

Navneet lud zum schweizerischen Nationalfeiertag Gäste ein, seine Eltern, Schwester und Verwandte waren alle anwesend. Die Familie hat in Indien einen grossen Stellenwert. Zur Feier des Tages und zur Begrüssung der neuen Ateliergäste liess er eine ganze Anzahl Vögel fliegen. Kleine und grosse, niedliche, farbige Birds hat er am Nachmittag gekauft und in Käfigen hierhergebracht. Diese Zelebration ist ein sehr schöner Brauch und soll Glück bringen. Ein indischer Partyservice kochte typischen indischen Strassenfood, den wir sonst aus hygienischen Gründen nie geniessen könnten. Er wird in wegwerfbaren, aus Blättern geformten Schälchen serviert oder in kleinen, ungebrannten Tongefässen, die nachher auch entsorgt werden. Das Essen war ausgezeichnet und wir freuten uns sehr, doch in den Genuss dieser Köstlichkeiten zu kommen.